… als ich Schulbub war in Haselhof….

Erinnerungen des späteren Bürgermeisters und Landrates Hermann Hübner

In der früher selbständigen Gemeinde Euben gab es bis 1970 eine einklassige Volksschule. Der Schulsaal stammte aus dem Jahr 1891 und ist kürzlich durch einen ziemlich originalgetreuen Neubau ersetzt worden.

Schulsaal Haselhof – Foto privat

Am 18. August 1960 war laut Schülerbogen mein erster Schultag. Wie in vielen Landgemeinden, so gab es damals auch bei uns kürzere Sommerferien und das neue Schuljahr begann im August. Im September waren dann die sog. Kartoffel-  oder „Erpfl“ferien,  da die Kinder daheim auf dem Bauernhof zum Kartoffellesen gebraucht wurden.

Mit den Schultüten im Arm,  darin waren bei mir Bananen und ein paar Süßigkeiten, begleitet von unseren Müttern, wurden wir 5 Erstklässler,  die Gertraud, die Gerlinde, die Waltraud, der Erwin und ich, von unserem Lehrer Fritz Stumpf in Empfang  genommen.

erster Schultag – Foto privat

Der Schulweg vom elterlichen Buchhof  bis nach Haselhof hat für die kurzen Kinderbeine rund eine dreiviertel Stunde gedauert und war oft, vor allem im Winter bei Eis und Schnee, ein Abenteuer für sich. Im Schulsaal saßen alle 8 Klassen mit über 45 Schülern dicht beieinander, die Kleinen vorne beim Pult und die Großen hinten. Für mich als Bauernbub von der Einöde war die Schule  vom ersten Tag an interessant und spannend. An der großen Drehtafel,  an den 2 Wandtafeln und  im  großen Sandkasten  vor den Schulbänken  hat  Lehrer Stumpf uns Schülern viel Wissen über unsere Heimat,  die Geschichte, über den Lauf von Erde und Mond und die Entstehung der Jahreszeiten vermittelt. Er hat in uns aber auch das Interesse an der großen weiten Welt geweckt. Daheim am Radio lauschten wir damals  Anfang der Sechziger dem Schlager „Zwei kleine Italiener“. In der Schule erzählte uns unser  Lehrer,  der mit seiner Frau im Volkswagen in Italien im Urlaub war, was  er dort alles gesehen und erlebt hat.  Als wir in der 3. Klasse das  kleine Einmaleins  lernten,  durften auch wir Kleinen am Kopfrechen-Wettbewerb  teilnehmen,  aber auch die „deutsche Schrift“  (Sütterlin)  wurde  uns beigebracht. Im Unterricht zeigte uns der Lehrer öfters Filme mit dem neuen Tonfilmprojektor, der sein ganzer Stolz war. Aus der Schulbücherei im Schrank hinten im Schulsaal habe ich mir öfters   Bücher ausgeliehen. Erinnern kann ich mich noch an „Das Schweinchen beim Frisör“. Am liebsten habe ich  aber schon in der 3. Klasse die Bücher von Karl May gelesen.

Schulweg im Winter – Foto privat

Gerne denke ich noch heute an die vielen schönen Wanderungen, ob zum Lindauer Moor oder zur Rotmain-Quelle im Lindenhardter  Forst.   Wir lernten dabei die Natur in ihrer Vielfalt,  Blumen und Bäume,  aber auch viele Tierarten kennen.  Die alljährlichen Schulausflüge mit dem Omnibus führten uns nach Rothenburg o. Tauber, Würzburg,  Nürnberg ,  auf die Wasserkuppe in der Rhön und auch in den Bayerischen Wald –  so weit waren wir Kinder vorher  noch nie fort.

Zum Schulsport oder Turnen, wie es im Stundenplan hieß,  ging es meist montags im Gänsemarsch durch den Wald hinunter Richtung Obergräfenthal  auf unseren sog.  Sportplatz. Wir Buben durften, nachdem wir den harten Lederball und die Lederschuhe  unseres Lehrers eingefettet hatten mit ihm Fußball spielen, die Mädchen meist Völkerball.  Sogar eine Sprunggrube zum Üben für die Bundesjugendspiele gab es dort. Höchstleistungen von unseren besonders sportlichen Mädchen mit Sprüngen von über 4,50 Meter habe ich da in Erinnerung.

Schon in den sechziger Jahren hatten wir als kleine Landgemeinde dank unseres  Lehrers Stumpf etwas ganz besonderes –  unser Haselhofer  Schwimmbad.  Der neue Feuerlöschteich war mit Treppe und Flachwasserbereich angelegt und wunderschön hellblau gestrichen. Der  Schwimmunterricht  dort war natürlich immer eine Mordsgaudi  und auch nachmittags konnten wir im Sommer diese tolle Badegelegenheit nutzen.

Neben dem Unterricht waren in Haselhof auch die Schulpausen ganz besonders aufregend. Wir freuten uns schon immer darauf, denn da ging es fast bei jedem Wetter hinaus auf den Schulhof und dann in unseren angrenzenden Schulwald. Dort wurde dann gebolzt oder Räuber und Gendarm gespielt. Schulglocken gab es damals  ja noch nicht und unser Lehrer hatte manchmal auch in der Pause etwas  Wichtiges  zu tun, so dass die Pause dann eine Stunde oder auch länger dauerte.  Erinnern kann ich mich auch noch, dass wir Buben  manchmal auf der hinteren Schulhofmauer saßen und  der Fredi dort spannende Abenteuer- und Fantasiegeschichten erzählt hat.

Das Schuljahr hat uns Kindern den Jahreskreis mit den Jahreszeiten und den kirchlichen Festen nahe gebracht.  Es wurde viel gesungen, auch wenn das damals nicht gerade meine Stärke war,  „Im Märzen der Bauer“ und „Im  Frühtau  zu Berge“ , genauso wie  „Lobe  den  Herren“  im Religionsunterricht  mit dem gestrengen Pfarrer Eyring .  Im Advent war das Schulzimmer mit einem großen, duftenden Fichtenkranz geschmückt, wir sangen mit Inbrunst „Macht hoch die Tür“ und bastelten Weihnachtssterne aus buntem Stanniolpapier.

Schulfasching in Haselhof – Foto privat

Nach den Weihnachtsferien ging es mit allen Klassen zum Schlittenfahren am Hügel Richtung Dörflas. Ganz besonders  aber freuten wir uns auf den Fasching in unserer Haselhofer Schule. Am Faschingsdienstag kamen wir Buben als Piraten oder Cowboys verkleidet mit Zündblättlasrevolver, die Mädchen als Rotkäppchen oder Prinzessinnen in die Schule. Es gab Brezen, Spiele und Stimmungsmusik mit Marschwalzer, bei dem auch  die ersten zarten Bande geknüpft wurden.

Natürlich waren die Zeiten in den sechziger Jahren noch etwas anders. Wir Kinder hatten vor den Eltern, aber vor allem vor unserem Lehrer noch hohen Respekt. Es war aber dennoch eine ganz besondere pädagogische Leistung eines Dorfschullehrers wie Fritz Stumpf, eine Klassengemeinschaft von fast 50 Kindern im Alter zwischen 6 und 14 Jahren zu unterrichten und ihnen wichtiges Rüstzeug fürs Leben mitzugeben. Ich bin ihm dafür heute noch sehr dankbar.

Ich denke gerne   an meine Haselhofer Schulzeit zurück,  an eine unvergessliche Gemeinschaft  von  8 Jahrgangsklassen.

Als ich nach der 6. Klasse auf ausdrückliche Empfehlung von Lehrer Stumpf als erster aus unserer „Staudn“ auf die Staatliche Realschule in Bayreuth geschickt wurde,  da hatte ich gute Grundlagen, um mit den anderen aus größeren Schulen leicht mithalten zu können,  auch wenn wir damals in Haselhof noch kein Englisch gelernt hatten.

Viele Schülerinnen und  Schüler aus unserer einklassigen Haselhofer Volksschule sind später sehr erfolgreiche berufliche Wege gegangen,  ob als Naturwissenschaftler oder Politiker,  als Handwerksmeister oder Spitzengastronom,  als Landwirtschaftsmeister oder gar als Bundesliga-Fußballprofi.

In meiner Arbeit als Bürgermeister,  vor allem aber als Landrat habe ich bei Diskussionen über Kombiklassen oder bei  Änderungen der Schulorganisation oft mit Stolz auf meine Erfahrungen und Erlebnisse  in der einklassigen Haselhofer Schule verwiesen und stets betont,  dass ich diese Zeit nicht missen möchte.  Unter uns  Staudner Schulkindern gab es  immer eine gute Kameradschaft und viele Freundschaften, die  erfreulicherweise bis heute erhalten geblieben sind.

Hermann Hübner